Können wir nicht die Berliner Straßen für alle besser machen?

Dass der Wegfall eines einzigen Parkplatzes in Zukunft ausreichen kann, um ein Fahrradinfrastrukturprojekt in Berlin zu stoppen, hat natürlich zu einem berechtigten Aufschrei geführt. Eine autofreundliche Verkehrspolitik ist ja das, was bei einer Stadtverwaltung rauskommt, die von der CDU (und ihrer Verkehrssenatorin Manja Schreiner) geführt und von der SPD unterstützt wird.

Aber ich finde, Peter Neumann von der Berliner Zeitung hat mit seinem Artikel genau ins Schwarze getroffen: „Am Ende dieser Wahlperiode werden die Autofahrer bestenfalls so glücklich und zufrieden sein wie jetzt – nämlich gar nicht“, schreibt Neumann. Und um seinen Gedanken noch ein bisschen weiter zu führen, werden auch diejenigen, die ein bisschen glücklicher hätten werden können – Radfahrer und Fußgänger – genauso frustriert sein wie jetzt.

Als Berliner ist das Ärgerliche daran, wie enttäuschend das alles für beide Seiten ist.

Wenn ich mit dem Fahrrad von meinem Wohnort Neukölln nach Mitte fahre – was ich ziemlich oft tue – grenzt die Wahrscheinlichkeit, dass mich ein Autofahrer auf dieser 6-km-langen Strecke in Gefahr bringt, an Sicherheit. Das kann etwas sein, worauf der Autofahrer keinen Einfluss hat: eine schlecht geplante Kreuzung etwa oder schlecht geplante Radwege. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich um unberechenbares oder aggressives Fahrverhalten handelt, das zumindest zum Teil als Ergebnis des miesen Berliner Verkehrs zu verstehen ist. Die Autofahrer paltzen vor Wut. So kommt es zu Zyklen des schlechten Verhaltens, die sich wiederholen und gegenseitig verstärken .

Ja, ich kann es auch aus Autofahrersich nachvollziehen. Obwohl das Fahrrad mein wichtigstes Verkehrsmittel ist, sitze ich nämlich ab und an mal auch hinterm Steuer. Und das ist ebenfalls grauenvoll.

Die Kreuzungen in der Gneisenaustraße, die für Radfahrer schrecklich sind, haben nämlich auch für Autofahrer grässliche Sichtlinien. Als Radfahrer ärgere ich mich ständig über illegal und falsch geparkte Autos, aber wenigstens finde ich noch einen Platz, um mein Fahrrad abzustellen. Selbst die Suche nach einem Parkplatz in Berlin ist eine Übung in Frustration.

Ich frage mich, ob es einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt?

Der springende Punkt scheint mir zu sein, dass es weniger Autoverkehr geben muss oder zumindest weniger Autos, die überall herumstehen und den ganzen Platz belegen. Aber – und jetzt kommt das Entscheidende – für die Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind, könnte das Fahren vielleicht auch weniger stressig gemacht werden?

Fangen wir mit dem Parken an. Parkverstöße kommen so häufig und systematisch vor und werden so selten kontrolliert, dass es derzeit aussichtslos erscheint, hier etwas zu unternehmen. Manchmal melde ich Verstöße in meiner Nachbarschaft beim Ordnungsamt, aber es dauert Stunden, bis jemand vorbeikommt. Und wenn überhaupt jemand für einen Verstoß bestraft wird, sind die Bußgelder derart niedrig, dass sie bedeutungslos sind: Ich wurde mit lediglich 20 € bestraft, weil ich ein Auto, das ich mir geliehen hatte, auf einem Bordstein parkte. Das war es auch fast wert, um überhaupt einen Parkplatz zu finden. Warum nicht es wie Amsterdam machen – mit einem digitalen Parkraumüberwachungssystem? Und dann müsste man die Bußgelder erhöhen. Nicht zulezt: Wenn ein Auto illegal geparkt ist, sofort abschleppen und auf ein Gelände irgendwo am Stadtrand stellen, anstatt es einfach um die Ecke des Ortes zu deponieren, an dem der Verstoß begangen wurde!

Denjenigen, die den Parkplatz brauchen, muss allerdings Priorität eingeräumt werden – also den Menschen, die in einem Viertel wohnen oder arbeiten. Sie müssen nicht unbedingt das Auto nehmen, um in ein Restaurant zu gehen oder in den Geschäften vor Ort einzukaufen – tatsächlich haben zahlreiche Studien gezeigt, dass diejenigen, die zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, in der Regel mehr ausgeben. Priorisieren wir also die Menschen, die den Platz vor Ort brauchen – und verlangen wir im Umkehrschluss höhere Kosten für das Parken für Nicht-Anwohner.

Das bedeutet auch, dass wir viel härter gegen Autos vorgehen müssen, die monatelang auf Berlins Straßen stehen – ein Problem, das schon seit Jahren besteht. Geht man durch eine beliebige Berliner Straße, sieht man diese Autos mit Schmutz, Laub und Blütenstaub auf den Windschutzscheiben, mit platten Reifen und Unkraut, das darunter hervorwächst. Wir haben nur begrenzten Parkraum, also sollten wir dafürsorgen, dass er von Leuten genutzt wird, die ihre Fahrzeuge tatsächlich benutzen und bewegen. Sicher, das könnte das Leben für Menschen mit Fahrzeugen, die nur gelegentlich benutzt werden, wie Wohnmobile, Anhänger und Wohnwagen, kompliziert machen. Aber für sie kann man Lösungen finden – zum Beispiel in Zonen, in denen es keinen Druck auf die Parkplätze für Anwohner gibt.

Würde das alles funktionieren? Ich sehe keine stichhaltigen und vernünftigen Argumente, die dagegen sprechen, diese Dinge zu tun. Das allein würde wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Situation für alle Verkehrsteilnehmer in Berlin zu verbessern und die Dinge in eine Art Tugendkreislauf zu bringen. Aber einen Versuch wäre es allemal wert.

 

Dies ist die Übersetzung eines Beitrags aus dem Eisenbahnblog von Jon Worth. Den Originalartikel auf Englisch findest du hier.

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