Im Entwurf des Europawahlprogramms der deutschen Grünen (vollständiges PDF hier) findest du diesen Absatz über Nachtzüge:
Nachtzüge sind eine komfortable und klimafreundliche Möglichkeit, lange Strecken innerhalb Europas zurückzulegen, und damit eine gute Alternative zum Fliegen. Ein massiver Ausbau des Nacht- zugverkehrs ist daher geboten. Wir setzen uns deshalb für reduzierte Trassenpreise, eine bessere Förderung für grenzüberschreitende Züge, für den zügigen Ausbau der Eisenbahninfrastruktur und ins- besondere eine industriepolitische Offensive für moderne Schlafwagen ein.
Ähnlich wie in meinem früheren Beitrag über Buchungsplattformen und wie man die Vision der Grünen in die Realität umsetzt, werde ich hier erklären, wie man das, wofür dieser Absatz plädiert, tatsächlich tun kann.
Ich habe hier mehr über die Vorteile von Nachtzügen geschrieben, aber trotz des Hypes um ihre Renaissance kommt die Entwicklung eines besseren Nachtzugangebots in Europa nur sehr langsam voran.
Das Problem beginnt mit dem Mangel an verfügbaren Nachtzugwaggons.
Nur die ÖBB und Trenitalia haben in den letzten Jahren neue Nachtzugwaggons bestellt. Der erste der 33 neuen 7-Wagen-Züge (also insgesamt 231 Wagen), die die ÖBB bei Siemens bestellt haben, wird im Dezember dieses Jahres in den kommerziellen Betrieb gehen, und der Termin für die Inbetriebnahme der mindestens 70 und möglicherweise sogar 370 Wagen, die Trenitalia bei Škoda und Titagarh-Firema bestellt hat, ist unbekannt – der Vertrag wurde erst vor einigen Monaten geschlossen.
Wir können nicht einfach darauf warten, dass entweder die ÖBB oder Trenitalia das europaweite Nachtzug-Rollmaterialproblem für uns lösen – die ÖBB hat nicht die Absicht, Wartungswerkstätten außerhalb Österreichs zu eröffnen, und alle ihre Waggons kehren nach 4 Nächten zum Einsatz nach Österreich zurück. Der Fokus von Trenitalia ist sogar noch enger gefasst – sein Schwerpunkt liegt in erster Linie auf den Strecken von Nord- nach Süditalien.

Andere Unternehmen, die in den Nachtzugmarkt einsteigen möchten, haben mit dem Problem des Rollmaterials zu kämpfen. Der private Betreiber European Sleeper hat es geschafft, genügend Waggons für einen Zug zusammenzuschustern, der jede zweite Nacht zwischen Berlin und Brüssel über Amsterdam verkehrt – mit einem Schlafwagen aus den 1950er Jahren und Liegewagen aus den 1970er Jahren. Es gibt nichts Besseres zu mieten. Midnight Trains hat angekündigt, neue Waggons kaufen zu wollen, aber bisher hat sich nichts getan. Schwedens staatliche Agentur Trafikverket musste die Pläne für einen Nachtzug Malmö-Bruxelles aufgeben, da kein Unternehmen über Waggons verfügte, um den Dienst zu betreiben.
Die Kernfrage lautet also: Wie können mehr neue Nachtzugwagen bestellt werden?
Die Antwort der EU auf dieses Problem war die Einrichtung der Green Rail Investment Platform der Europäischen Investitionsbank im Dezember 2021. Bisher wurden jedoch noch keine Nachtzugwagen bestellt, die auf diese Weise finanziert wurden.
Das führt mich zu dem Schluss, dass zwei radikalere Lösungen in Betracht gezogen werden sollten.

In den 1970er Jahren wurden von einem Konsortium aus DB, ÖBB, FS, SNCB, CFF und SNCF 500 so genannte „Eurofima-Wagen“ mit einem standardisierten Design bestellt. Der Vorteil war, dass eine Großbestellung für einen standardisierten Wagen die Kosten pro Einheit senkte und den internationalen Betrieb vereinfachte. Könnte die Europäische Union also versuchen, ein ähnliches Konsortium aus öffentlichen und privaten Eisenbahnunternehmen zu koordinieren, um eine ähnliche Bestellung von Nachtzugwaggons zu tätigen? Wie das funktionieren könnte, wird hier genauer erklärt.
Eine Alternative wäre die Gründung eines öffentlichen Fahrzeugpools. Diese Idee wird hier ausführlicher erklärt, aber der Kern ist, dass eine öffentliche Einrichtung (ein Staat (wie Schweden) oder eine Bundesland (wie Baden-Württemberg)) die Investitionen in das rollende Material tätigt und die Wagen dann an die Betreiber vermietet. Die Europäische Union hat das noch nie gemacht, aber wenn es keine andere Möglichkeit gibt, neue Waggons zu bestellen, sollte man das in Betracht ziehen.
Die Betreiber könnten kritisieren, dass eine dieser beiden Optionen zu einer standardisierten Wagenflotte führen würde, die nicht ganz auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Ich weise dieses Argument jedoch zurück – wenn European Sleeper es schafft, einen Dienst mit Nachtzugwagen aus den 1950er Jahren zu betreiben, wäre ein standardisiertes modernes Design ein verdammt gutes Upgrade.
Einige Nachtzugbefürworter sind mit dieser Aufmerksamkeit für das rollende Material nicht einverstanden und konzentrieren sich stattdessen auf den fragilen finanziellen Rahmen für Nachtzüge, insbesondere auf die Trassengebühren und die fehlenden öffentlichen Zuschüsse für Nachtzüge.
Meiner Meinung nach zeigt die Existenz des European Sleeper Service und der Nachtzüge Stockholm-Berlin von SJ und Snälltåget jedoch, dass diese Probleme zumindest teilweise überwunden werden können und der Betrieb sowohl in Ländern mit (Schweden) als auch ohne Zuschüsse (Deutschland) funktionieren kann.
Auch die Beschaffung der richtigen neuen Nachtzugwagen wäre hier entscheidend. Eine Konstruktion, die auf allen Normalspurgleisen in Europa eingesetzt werden kann, könnte dann dort eingesetzt werden, wo die wirtschaftlichen Bedingungen für die Entwicklung eines Nachtzugdienstes am günstigsten sind (oder die Subventionen am großzügigsten sind). Die Entwicklung von interoperablen 200-km/h-Wagen, die für die meisten Nachtzugstrecken ausreichend schnell sind, ist durchaus möglich, und es gibt in Europa viele Hersteller, die sie bauen können.
Außerdem stellt sich die entscheidende Frage, was in welcher Reihenfolge geschehen muss – wenn du jetzt eine Flotte von Waggons bestellst, würden sie erst in fünf Jahren fahren, so dass in der Zeit dazwischen noch Zeit bleibt, um an den Gleiszugangs- und Subventionsregelungen zu arbeiten.
Wenn du also mehr Nachtzüge in ganz Europa haben willst, brauchst du mehr Nachtzugwaggons. Und es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man sie bekommen kann. Die Bestellung dieser Waggons – und zwar so schnell wie möglich – ist das zentrale Thema für die Entwicklung eines größeren Nachtzugnetzes und muss jetzt das politische Gebot der Stunde sein.
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SNCB/NMBS Bm 61 88 21-70 645-3 in the consist of InterRegio 91 “Vauban” from Bruxelles-Midi to Chur at Liestal train station.
1 August 2009, 14:59:06
By NAC
CC BY-SA 4.0
Nur Nachtüge für den reinen Personenverkehr ist zu kurz gegriffen. Es bedarf von Nord- nach Südeuropa – Frankreich, Spanien, Italien, Kroatien – auch wieder täglicher Autoreisezüge. Z.B. Hamburg auch für die Skandinavier, Berlin und Düsseldorf Richtung Narbonne, Verona, Rijeka etc. Das entlastet die Autobahnen, weniger Abgase etc.
Sorry, aber 1) Autoreisezüge schleppen ganz viel Metall durch Europa. Aus Umweltsicht macht es mehr Sinn ein Auto am Zielort zu mieten, und 2) es gibt die Transportwagen für Austoreisezüge auch auf dem Leasingmarkt. Ich setze mich dann nicht dafür ein, Austoreisezüge wieder zu etablieren. Sorry.
Das wäre ein gutes Thema für eine Marktanalyse. Wenn man davon ausgehen könnte, dass das Metall sowieso bewegt wird, dann wären Züge mit Strom ökologischer (und sicherer) als die individuellen Fahrten.