Greenpeace hat diese Woche einen ausgezeichneten, aber deprimierenden Bericht über die Schrumpfung des europäischen Eisenbahnnetzes veröffentlicht und festgestellt, dass sich die Zahl der Autobahnkilometer in Europa im gleichen Zeitraum fast verdoppelt hat. Das Problem war jedoch, dass der Bericht kaum politische Vorschläge enthielt, was man gegen die aufgelisteten Probleme tun könnte.
Hier sind also ein paar Lösungansätze von mir, wobei mein Schwerpunkt auf den grenzüberschreitenden Problemen liegt. Das sind keineswegs fertige oder ausgefeilte Ideen, aber dieser Beitrag ist erst der Anfang. Die Punkte haben keine bestimmte Reihenfolge oder Priorität – und einige sind konkreter als andere.
1. Veröffentliche einen jährlichen grenzüberschreitenden Bahnindex
Das klingt mühsam, ist aber wirklich wichtig. Die Europäische Kommission weiß nicht, wo die Probleme bei Europas Eisenbahnen liegen und an welchen Grenzen es tendenziell besser oder schlechter wird. Viele der praktischen Beispiele, die mein #CrossBorderRail-Projekt aufgedeckt hat, waren vielen Menschen in den Brüsseler Machtetagen neu. Man müsste also eine Liste aller grenzüberschreitenden Strecken aufstellen und jedes Jahr bewerten, ob sich die Qualität der Infrastruktur, des Personen- und Güterverkehrs, des Fahrkartenverkaufs und der Zuverlässigkeit auf jeder einzelnen Strecke verbessert oder verschlechtert hat. In diesem Blogbeitrag erfährst du mehr über diese Idee.
2. Offene Daten für Fahrpläne, Tickets und Live-Betrieb
Der Grund, warum wir keine „Skyscanner für die Bahn“-App oder vergleichbare Website haben, ist, dass der Zugang zu den Daten, mit denen man so etwas aufbauen könnte, unvollständig oder fragmentiert ist. Es ist mir egal, ob es privates oder ein staatliches Unternehmen ist, das so etwas entwickelt, aber die Möglichkeit, zwei Bahnhöfe einzugeben, eine Route zu finden, zu buchen und dann zu erfahren, ob ein Zug pünktlich ist oder nicht, wäre ein großer Fortschritt. Ich bin hin- und hergerissen, ob ich das am besten über die alte UIC Merits oder über etwas völlig Neues angehen soll – aber das Buchen von grenzüberschreitenden Zugtickets ist europaweit ein Ärgernis, und die EU muss es gesetzlich regeln. In diesem Beitrag wird diese Funktionsstörung genauer erklärt.
3. Einheitliche Zeithorizonte für die Veröffentlichung von Fahrplänen und die Freigabe von Fahrkarten für den Verkauf
Die Fahrpläne für alle Züge sollten mindestens 3 Monate im Voraus veröffentlicht werden (ich würde es begrüßen, wenn diese Frist auf 6 Monate erhöht würde, aber ich könnte auch mit 3 Monaten leben). Wenn sich der Fahrplan ändert, müssen die Fahrgäste darüber informiert werden. Das würde bedeuten, dass sie eine E-Mail-Adresse oder eine Telefonnummer hinterlassen müssen, um im Voraus buchen zu können – wie sie es ja beim Fliegen tun. Der Effekt: Fahrgäste im internationalen Bahnverkehr hätten die gleiche Sicherheit bei der Planung geben, wie sie sie bei der Planung von Flügreisen haben.
4. Die Garantie, in den nächsten verfügbaren Zug zu springen
Bevor es einmal um eine Verpflichtung für Bahnunternehmen geht, einem eine Art Überall-Ticket zu verkaufen – ein sogenanntes Durchgangsticket – müssen wir über was anderes reden: Versuch mal, eine Fahrkarte von Lissabon nach Ventimiglia zu kaufen. Keine Bahngesellschaft tut das – oder wird es in Zukunft tun können, auch nicht die staatlichen Bahnen (die sich weigern, miteinander zu kooperieren). Wir brauchen eine radikal andere Lösung. Gestückelte Fahrausweise für eine Reise – z. B. 1. Lissabon-Badajoz von CP, 2. Badajoz-Madrid und Madrid-Barcelona von Renfe, und 3. Barcelona-Montpellier mit der SNCF) müssen, wenn sie nach einer genehmigten Reiseroute unter Einhaltung der Mindestumsteigezeiten gebucht werden, mit einer Garantie für den nächsten Zug verbunden sein. Das könnte bedeuten, dass die Bahngesellschaften untereinander ein Ausgleichssystem brauchen, aber das ist auch gut so. Wenn ich eine gültige Reisekette habe, müssen die Bahnunternehmen mich an mein Ziel bringen. Die Verantwortung dafür, dass die Kette unterbrochen wird, darf nicht beim Kunden liegen.
5. Bahnpässe, die bis zum ersten Bahnhof nach der Grenze gültig sind
Viele europäische Länder experimentieren mit verschiedenen Arten von Bahnpässen und Pauschalfahrkarten – man denke an das Deutschlandticket und das Klimaticket in Österreich. Aber der Versuch, diese an den Grenzen zu kombinieren, ist ein komplettes Chaos, wie meine detaillierte Untersuchung an den deutschen Grenzen gezeigt hat. Deshalb sollten alle Bahnfahrkarten bis zum ersten Bahnhof nach der Grenze gültig sein. Das ist einfach, billig und sollte leicht umzusetzen sein – und hilft in Grenzregionen weiter.
6. Fahrplankoordinierungsbefugnis für die EU-Eisenbahnagentur
An vielen Grenzen sind die Fahrpläne der Regionalzüge nicht koordiniert. In Valga-Valka oder Ventimiglia verpassen Fahrgäste mit Anschlusszügen die Weiterfahrt um Minuten und müssen stundenlang auf den nächsten Zug warten. Eine Koordinierungsbefugnis für die EU-Eisenbahnagentur wäre sinnvoll – aufbauend auf Punkt 1. oben, denn dann wissen wir systematisch, wo diese Probleme tatsächlich auftreten.
7. Verwandle die EU-Agentur für Eisenbahnen in eine „Eurocontrol für die Schiene“.
Es gibt zwei Probleme mit Bahntrassen an den Grenzen. Erstens kann die Trassenzuweisung auf beiden Seiten der Grenze unterschiedlich sein (so können auf jeder Seite unterschiedliche Zugtypen bevorzugt werden). Zweitens bedeutet die schlechte Qualität des Netzes vielerorts, dass die Trassen in Echtzeit zugewiesen werden müssen und nicht nach einem formalen Planungsverfahren. Die Koordinierung der Trassen und die Trassenzuweisung in Echtzeit durch die Agentur wäre eine Lösung für dieses Problem.
8. Rechtliche Sanktionen bei verspäteter Fertigstellung von TEN-V-Projekten
Auf dem Papier löst das Transeuropäische Verkehrsnetz TEN-T der EU die Infrastrukturprobleme auf den Hauptstrecken. Das Problem ist jedoch, dass sich der Ausbau vielerorts verzögert oder noch gar nicht begonnen hat. Und das TEN-T-Kernnetz soll bis 2030 fertiggestellt werden! Das sind noch 7 Jahre! Es ist also an der Zeit, dass die Europäische Kommission bei den EU-Mitgliedstaaten etwas mehr Druck macht und sie sogar vor dem Gerichtshof der EU verklagt, wenn sie ihre Verpflichtungen nicht erfüllen. Wenn das nicht klappt, könnte auch ein öffentliches Anprangern zum gleichen Ziel führen.
9. Finanzierung der Interoperabilität – und Fahrzeugpools
Züge, die mit mehr als einem Elektrifizierungssystem oder mehr als einem Signalsystem ausgestattet sind, kosten mehr als Züge mit nur einem System. Die EU sollte die Differenz finanzieren, und zwar unabhängig vom Betreiber – ob privat oder öffentlich. Dies würde bedeuten, dass die Verlängerung von Zügen bis zum ersten Bahnhof nach einer Grenze (siehe Punkt 5. oben) einfacher wäre als derzeit, wo das Fehlen geeigneter Züge ein Hindernis darstellt. Für einige andere Arten von Fahrzeugen – insbesondere Nachtzugwagen – könnten radikalere Lösungen erforderlich sein, bei denen die EU vielleicht Konsortien für die Beschaffung solcher Wagen koordinieren oder sogar öffentliche Fahrzeugpools einrichten könnte, wenn die Eisenbahnunternehmen diese Probleme nicht selbst lösen wollen.
10. Verbot der Verschrottung von Zügen
Einer der Gründe, warum es für neue Marktteilnehmer so schwer ist, in den europäischen Eisenbahnmarkt einzutreten, ist, dass sie keine gebrauchten Züge bekommen können. Während einige staatliche Eisenbahnen gut darin sind, altes Material aus zweiter Hand zu verkaufen, würden andere ihre Züge lieber verschrotten, als sie in die Hände anderer Betreiber fallen zu lassen. Solange ein externer Gutachter einen Zug nicht untersucht hat, sollte er nicht verschrottet werden, wie dieser Blogbeitrag erklärt.
Oh, und eine zusätzliche Idee, um das Ganze zusammenzuhalten… Integrierte Fahrpläne mit Ziffernblatt – wie in der Schweiz – sind eine tolle Sache. Wie wäre es, einen Europatakt anzustreben? Aber im Gegensatz zu den anderen Ideen, die hier skizziert wurden, ist das viel schwieriger und erst längerfristig zu realisieren!
Bitte auch beachten, dass ich hier nicht den fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern oder die Höhe der erforderlichen Investitionen anspreche. Ich konzentriere mich stattdessen auf mittelgroße Initiativen, die dennoch eine deutliche Wirkung entfalten könnten.